Tag 05 – 18.07.24
19. Juli 2024Tag 07 – 20.07.24
20. Juli 2024Niemals hat der menschliche Geist solch große Höhen erreicht wie in jenem Moment, da muskulöse Männer in karierten Röcken der Welt das Geschenk der faszinierendsten, anspruchsvollsten und bemerkenswertesten Sportart schenkten, die wir heute kennen: Den Baumstamm-Weitwurf. Er erfordert Geschicklichkeit und Kraft, jahrelange Übung und mentale Vorbereitung, anspruchsvolle Technik und ein grundlegendes Verständnis der Meteorologie. Er vereint allgemeine Zugänglichkeit mit grazilen Feinheiten, die nur der wahre Meister erkennt, und ist in seiner Eleganz und Harmonie ein ästhetisches Wunderwerk in jedem einzelnen Wurf.
Wen wundert es da also, dass wir an diesem Morgen, da die Kinder eigentlich verschiedene Länder bereisen sollten, vor allem eine Leidenschaft in vielen jungen Herzen weckten, die nur die Erkenntnis der eigenen Bestimmung mit sich bringen kann? Für viele ist und kann das ab heute nur der Baumstamm-Weitwurf sein. Zwar konnte man in Australien mit den Känguruhs hüpfen und in Mexiko mit den Toten feiern, aber nichts davon gleicht der Exotik und Einzigartigkeit eines gut geworfenen Baumstamms, vor allem, da mit der berüchtigten Pellwormer Eiche direkt ein Holztyp der fortgeschrittenen Klasse geworfen wurde. Bis zu 30 Fuß weit vermochten einige TeilnehmerInnen ihren Baumstamm zu bewegen - ein für Amateurliegen erstaunliches Ergebnis.
Nach getaner Arbeit und teils emotionalem Abschied von unserem Baumstamm stärkten wir unseren Leib bei Kartoffelbrei und Spinat. Da es am Nachmittag sehr heiß wurde, konnten sich die Kinder bei verschiedenen Wasserspielen erfrischen, von denen leider keines Baumstamm-Weitwurf war und die daher enttäuschend uninteressant ausfielen. Wer möchte schon lesen, dass Kandidaten über eine Rutschfolie als lebende Bowlingkugel Pins umwerfen konnten, die Wasser-Pinata suchten oder in einer gewaltigen Runde Brennball in Pools hüpften, um nicht zu verbrennen, wenn diese Zeit doch so viel sinniger mit Baumstamm-Weitwurf hätte gefüllt werden können, einer Sportart, die nicht nur vollen Körpereinsatz und Konzentration fordert, sondern auch auf eine lange Tradtion großartiger Athleten zurückblicken kann, wie zuletzt den großartigen Alistair Gunn of Halkirk?
Am Abend dann traten unsere Jungs gegen unsere Mädchen an und unverständlicherweise wurde die Gelegenheit verpasst, diesen Wettkampf in der einzig wahren Disziplin sportlicher Brillianz auszutragen, dem Baumstamm-Weitwurf. Stattdessen wurden diverse belanglose Minispiele veranstaltet, die über die Eignung zum echten Leben und die charakterliche Entwicklung nicht ansatzweise so viel auszusagen vermögen wie ein gut geworfener Baumstamm, denn wie schon Konfuzius sagte: "Nur wenn du mit einem Mann Baumstämme geworfen hast, kennst du ihn wirklich." Dass am Ende die Mädchen knapp mit elf zu acht Punkten den Sieg holen konnten, mag ein großer Schritt auf dem Weg zur Gleichstellung sein und wird hoffentlich dazu führen, den Baumstamm-Weitwurf endlich auch für Frauen olympisch zu machen.
Zum Abschluss des Tages wurde ein kurzer Moment der Andacht dadurch zerstört, dass die Spatzen nicht daran dachten, das Thema Baumstamm-Weitwurf auch nur zu erwähnen und stattdessen über offenes Miteiander und Toleranz berichteten. Daher fuhren denn auch im Anschluss die älteren Kinder des Lagers noch zum Meer, um über die Unendlichkeit des perfekten Baumstamm-Weitwurfs zu sinieren und in der kühlen Nordsee die Enttäuschung darüber abzuwaschen, dass der morgige Tag voraussichtlich keinen einzigen Baumstamm-Weitwurf sehen wird, da der Gammeltag ansteht. Mehr dazu morgen in der aktuellen Asugabe von "Baumstamm für jedermann."